1. Gedanken zum 2-wöchigen Orientierungs- und Mobilitätstraining des Institut IRIS (Hamburg) für Menschen mit Usher Syndrom, Ostee und Hamburg, November 2017

 

Abschlussrunde nach 2 Wochen intensiven Orientierungs- und Mobilitätstrainings an der Ostsee und in Hamburg. Ich erzähle der Runde, wie ich während der vergangenen 2 Wochen eine neue Freundschaft geschlossen habe, nämlich die zu meinem Langstock. Er soll nicht, wie bisher, fein säuberlich zusammengeklappt in meiner Tasche bleiben. Er wird nun viel häufiger zum Einsatz kommen. Denn ich bin mit dem Langstock deutlich stressfreier, sicherer und entspannter unterwegs. Ich kann mich auf die wesentlichen Dinge konzentrieren und muss nicht ständig den Boden nach Hindernissen scannen (und übersehe dabei trotzdem so einiges …). Ich traue mich nun sogar wieder, unbekannte Routen im Dunkeln alleine zu bewältigen. Auch meiner Umwelt mache ich das Leben leichter. Meine Mitmenschen reagieren sehr rasch auf den Stock, weichen aus und erleichtern mir so meine Wege. Manche bieten auch Untersützung an, wie etwa in Aufzügen, auf Flughäfen oder Bahnhöfen. Ich habe inzwischen gelernt, diese Unterstützung je nach Bedarf lächelnd anzunehmen oder höflich abzulehnen. Insgesamt sind meine Erfahrungen sehr positiv, ich stoße vorwiegend auf respektvolle Mitmenschen, aufgezwungene Hilfe kenne ich bisher glücklicherweise nur vom Hörensagen.

Ich spreche außerdem von den Herausforderungen meines Weges bis zu diesem Punkt. Es ist nicht einfach, die eigene Behinderung derart sichtbar zu machen. Doch die Sichtbarkeit der eigenen Einschränkung zu akzeptieren, ist für mich ein wichtiger Schritt bei der Bewältigung des Usher Syndroms. Meine Seheinscrhänkung sieht man mir nicht an. Was man sieht, ist vermeintliche Unachtsamkeit, Unhöflichkeit, Tolpatschigkeit oder gar Betrunkenheit v.a. im Dunkeln, wo ich ohne Stock oder Begleitperson sehr langsam und unsicher gehe, da ich Hindernisse sehr spät oder gar nicht wahrnehme. Der Langstock zeigt meiner Umwelt sehr deutlich, dass ich eine Sehbehinderung habe. Das akzeptiere ich als Teil meines Lebens. Immer öfter verwende ich den Langstock selbstverständlich, v.a. in unbekannter Umgebung, im Dunkeln sowieso und an Knotenpunkten mit vielen Menschen, wie z.B. Bahnhöfen oder Flughäfen.

Es ist dies der erste Winter seit vielen Jahren, wo ich nicht nervös aus dem Fenster und auf die Uhr schaue um abzuschätzen, ob ich wohl noch vor Einbruch der Dämmerung im sicheren Hafen meines Zuhauses landen würde. Natürlich bin ich immer noch iieber tagsüber unterwegs, weil ich da deutlich mehr sehe als nachts. Aber wenn es dunkel ist – und das ist es im Winter in unseren Breitengraden sehr viel – geh ich trotzdem meiner Wege. Damit habe ich mir ein großes Stück an Freiheit zurückgeholt.



Das Forum erhielt kurzfristig die Gelegenheit, gemeinsam mit dem Österreichischen Behindertenrat (ÖBR) an einer Delegation zum Europäischen Parlament teilzunehmen. Wichtige Themen dieser Veranstaltung, an der über 600 Menschen mit Behinderung oder deren Vertreter_innen teilgenommen haben, waren: barrierefreie Wahlen 2019, Entwurf einer Richtlinie zu barrierefreien Produkten und Dienstleistungen – „European Accessibility Act“ – und die neue Behindertenstrategie 2020-2030. Die Teilnehmer_innen haben einstimmig eine Resolution beschlossen, in der das EU-Parlament aufgefordert wurde, die Behindertenstrategie 2020-2030 auch umzusetzen. Es bleibt spannend, wir werden weiter darüber berichten!



Von 1.-3.12.2017 hat der Österreichische Blindensportverband auf der  Turacher Höhe eine Begleitschifahrerausbildung durchgeführt. Unter traumhaften Schibedingungen erlernten die Teilnehmer_Innen Begleittechniken unter professioneller Anleitung.

 

 

Zwei Teilnehmer_innen berichten über ihre Erfahrungen mit dieser Ausbildung:

Géraldine Sturz: „Gestartet hat die Ausbildung mit einer Übung zur Selbsterfahrung (Brillen mit verschiedenen Krankheitsbildern). Ich hatte z.B. eine Brille mit diabetischer Retinopathie und eine Brille, die Vollblindheit (B1) simulierte. Für mich war es total beeindruckend, wie sehr man sich als normalerweise ‚Voll-Sehende_r‘ trotz der Einschränkung auf seine restlichen Sinne verlassen kann. Am Samstag und Sonntag trainierten wir dann mit Demofahrern (von eingeschränktes Sehvermögen bis vollblind) entweder über Funk oder über Lautsprecher. Fazit: Eine spannende Ausbildung mit traumhaften Skibedingungen, sehr professionellen und erfahrenen Ausbildnern und tollen Demofahrern.“

Auch Erich Miedl-Rissner hat an der Ausbildung teilgenommen und ergänzt: „Besonders wertvoll war für mich neben dem Erlernen und Üben der Begleittechniken der Austausch mit den Demofahrer_Innen mit Sehbehinderung sowie mit den anderen Begleitsportler_Innen, zum Großteil Angehörige wie ich. Außerdem war ich beeindruckt davon, wie durch das intensive Aufeinandereingehen schnell eine sehr vertraute Kommunikation und Beziehung entsteht, die volle Präsenz fordert. Eine sehr schöne Erfahrung!“

 

Unter www.blindensport.at finden sich Informationen zu Blinden- und Sehbehindertensport in unterschiedlichen Disziplinen. Spannend für Sportbegeisterte mit Sehbehinderung aber auch für potenzielle Begleitsportler_innen!



Bei der Gesprächsrunde am 25.02.2017 fand ein sehr lebhafter, sehr offener und sehr positiver Austausch zum Thema „Partnerschaft und Hörsehbehinderung“ statt.

 

Ein Schlüssel scheint in der offenen Kommunikation der Partner zu liegen. Betroffene sollen sich nicht scheuen, ihre Anforderungen auch dem eigenen Partner gegenüber immer wieder zu kommunizieren. Gleichzeitig muss Partnern zugestanden werden, dass auch sie Ängste und Sorgen haben.

 

Weiters wurden unterschiedliche Zugänge zur Rolle des Partners besprochen. Für manche ist es angenehm, wenn der Partner eine Assistenzfunktion etwa bei Mobilität und Orientierung übernimmt. Andere finden es besser, dafür eine eigene Persönliche Assistenz zu nutzen, um auch einmal was allein zu machen.

 

Als zum Teil schmerzhafter Aspekt des Themas Partnerschaft stellte sich der Punkt „Kinder – ja, oder nein?“ heraus. Teilnehmer berichteten, dass sie infolge ärztlicher Fehlaufklärung bewusst auf Kinder verzichtet hätten, dies aber nun bereuten. So erzählte ein Teilnehmer, dass er im Zuge der Diagnose vor vielen Jahren erfahren hätte, seine Kinder würden auf jeden Fall ebenfalls das Usher Syndrom bekommen. Erst viel später erfuhr er bei einem Fachvortrag, dass dies nicht den Tatsachen entspricht. Zusätzlich hat er inzwischen die Erkenntnis gewonnen, dass er auch ein Kind mit Usher Syndrom hätte annehmen können. Eine weitere Teilnehmerin erzählte von der Aussage ihres damaligen Augenarztes, „Gott sei Dank haben Sie keine Kinder, sonst hätten sie auch diese schreckliche Krankheit!“. Hier braucht es zum Teil noch heute Sensibilisierungsarbeit bei Ärzten zum Thema „Diagnostizierung, genetische Beratung und Kommunikation“.

 

Auch wurde thematisiert, dass es ab einem gewissen Stadium der Hörsehbehinderung sehr schwer werde, einen Partner und damit verbunden das neue Umfeld kennen zu lernen (neue Verwandte, Freunde etc.). Der Wert einer stabilen, langjährigen Partnerschaft wurde klar hervor gehoben.

 

Die Teilnehmer waren sich einig, dass es sehr von der jeweiligen Persönlichkeit abhängt, wie man selbst, und wie der Partner mit der Hörsehbehinderung umgeht. Außerdem wurden Unterschiede sichtbar: kam die Diagnose erst während der Partnerschaft, war die Partnerschaft zu diesem Zeitpunkt stabil, bestand die Diagnose schon davor, wenn ja, wann wurde sie dem Partner kommuniziert? Wie ist der Verlauf der Erkrankung? Wie hoch ist die Bereitschaft, die Behinderung anzunehmen, sowohl bei sich selbst, als auch beim Partner?

 

Ein Teilnehmer fasste die positive Grundstimmung der Gesprächsrunde sinngemäß zusammen wie folgt, „Der Partner, und man selbst, muss keine Angst vor der Behinderung haben.“

 

Vielen Dank an alle Teilnehmer für den offenen Austausch sowie an Barbara Latzelsberger und Jana Horkava, die die Abhaltung der Gesprächsrunden in den Räumlichkeiten der ÖHTB-Beratungsstelle ermöglichen!



Usher Elternworkshop des deutschen Vereins „Leben mit Usher Syndrom“ in Berlin, 29. August 2015

 

Zeitig standen wir auf, meine Tochter und ich, um den Frühflug von Wien nach Berlin zu nehmen und am ersten Usher Elternworkshop des LmU teilzunehmen. Veranstaltungen zum Thema Usher Syndrom oder Netzhauterkrankungen hatten wir schon viele besucht, aber ein Workshop für Eltern betroffener Kinder war nicht dabei gewesen.

 

Was hatte uns nun motiviert, den weiten Weg aus Wien in Kauf zu nehmen? Nun, eine derartige Veranstaltung gibt es in Österreich nicht. Und wir hatten ein konkretes Ziel: etwas zurückzugeben von dem, was wir in zahlreichen Patientensymposien von Pro Retina Deutschland, von Retina International, dem Vereins Leben mit Usher DE und der amerikanischen Usher Syndrome Coalition in den vergangenen zehn Jahren seit der Diagnose Usher Syndrom erhalten hatten: Information, das Gefühl, mit diesem herausfordernden Thema Usher nicht alleine zu sein, und Hoffnung. Darüber hinaus wollten wir den lebenden Beweis liefern, dass ein fröhliches, erfülltes Leben mit Usher Syndrom möglich ist, und damit betroffenen Eltern insbesondere kleinerer oder gerade erst diagnostizierter Kinder die Angst nehmen.

 

Einleitend werden wir von Marcel Feldmann begrüsst, der selbst Usher Betroffener (Usher 2) und im LmU Ansprechpartner für Eltern von Kindern mit Usher ist und diesen Workshop initiiert und organsisiert hat. Ebenfalls vorbereitend und moderierend aktiv ist Timo Klaes, auch er ist Usher Betroffener (Usher 3) und Mitglied des Vorstandes des LmU. Von beiden erfahren wir auf sehr positive und motivierende Art und Weise Interessantes über ihren Lebensweg und Werdegang. Beide jungen Männer stehen mitten im Leben mit Beruf und Familie.

 

Gleich bei der Vorstellungsrunde wird deutlich, wie bunt gemischt die Teilnehmerrunde ist: wir haben hier die Eltern eines erwachsenen jungen Mannes mit Usher 2a, der im Jahr 2013 diagnostiziert wurde, die jungen Eltern von zwei kleinen Kindern im Alter von 3 und 6 Jahren, deren jüngere Tochter im Alter von einem Jahr mit Usher 2a diagnostiziert wurde, die junge Mutter eines kleinen Sohnes im Grundschulalter mit Usher 1, der mit 2 Jahren beidseitig mit Cochlea Implantaten versorgt wurde, die Eltern von jugendlichen Zwillingsmädchen, von welchen eines eine Hörsehbehinderung und weitere Symptome aufweist und mit CI versorgt ist, die Diagnose ist hier noch nicht gesichert, allesamt sind sie aus Deutschland, und dann wir beide aus Österreich.

 

Als involvierte Fachkräfte sind Katharine Biesecke, Psychologin vom Kompetenzzentrum für Taubblinde Potsdam, Petra Kieburg, Rehabilitationslehrerin und Trainerin für Orientierung und Mobilität in Berlin, und nicht zuletzt Dr. Nadja Högner von der Humboldt Universität Berlin, Institut für Rehabilitationswissenschaften (Blinden- und Sehbehindertenpädagogik) dabei. Wir kannten sie bereits vom Symposium und Familientreffen der amerikanischen Usher Syndrome Coalition in Boston im Juli 2014, wo sie ebenfalls vorgetragen hatte.

 

Sie ist es auch, die nun mit dem fachlichen Teil startet, mit einem Vortrag zu ihrem Spezialthema „Psychosoziale Forschung bei Usher Syndrom“. Beleuchtet werden insbesondere die Bereiche Diagnose, Auswirkungen auf verschiedene Lebensbereiche, psychische Gesundheit, sozialer Stress, Selbstbild und Selbstwertgefühl und Bewältigungsstrategien, die der Verbesserung der Lebensqualität und des psychischen Wohlbefindens dienen sollen. Hier bringen sich an den verschiedenen Stellen immer wieder die Teilnehmer mit ihren persönlichen Erfahrungen und ihren Fragen ein.

 

Sehr schnell und sehr deutlich werden für mich die Emotionen spürbar, die mit der Rolle als Eltern eines Usher betroffenen Kindes einhergehen. Auch über meine eigenen heftigen Emotionen bin ich wieder einmal überrascht, sehe ich mich doch als erfahrene „Usher Mutter“, die sich in den 10 Jahren seit der Diagnostizierung schon sehr lange und intensiv mit den fachlichen und emotionalen Seiten des Themas auseinandergesetzt hatte. Wie gut tun da die Anwesenheit von jungen erwachsene Betroffenen, die durch ihre Wortmeldungen und ihr unbefangenes und fröhliches Verhalten uns Eltern vor Augen führen, dass wir uns viel zu viele unnötige Sorgen machen.

 

Noch vor dem Mittagessen informiert meine Tochter über ihren Werdegang als Schülerin und Studentin und berichtet über ihre Fachbereichsarbeit „Psychosoziale Aspekte von CI Trägern während ihrer schulischen Ausbildung“, die sie im Rahmen ihres Abiturs im Fach Psychologie verfasst hat. Inhaltlich geht es um die UN-Behindertenkonvention und Aspekte wie Integration, Inklusion und Partizipation, sowie Anerkennung und Akzeptanz, weiters Identität und Zugehörigkeit, und zuletzt Ausgrenzung und Exklusion.

 

Am Nachmittag erhalten wir dann wertvolle praktische Informationen von Petra Kieburg zu den Themen lebenspraktische Fähigkeiten sowie Orientierung und Mobilität. Neben kleinen Tipps und Tricks für den Alltag, wie langsame Bewegungsabläufe bei fortschreitendem Sehverlust zwecks Vermeidung von Kollisionen oder Umstossen von Gegenständen, werden hier auch Hilfsmittel wie Langstock mit Kamera oder Ultraschall und Führhund angesprochen. Meine Tochter erzählt bei dieser Gelegenheit von ihrem nicht ganz fertig ausgebildeten Führhund, den wir ihr seit ihrem 14. Lebensjahr zur Seite gestellt haben und den sie zwar selten als Führhund nutzt, der aber eine wichtige psychische Stütze und Entlastung für sie darstellt (und so auch für mich…) und sie auf den Umgang mit einem Führhund vorbereitet hat.

 

Sehr sensibel und behutsam führt uns dann Katherine Biesecke durch die Elterngesprächsrunde, bei welcher die unterschiedlichen Emotionen und Verarbeitungsstrategien der Eltern zur Sprache kommen, auch von Schmerz und Trauer ist hier die Rede, weiters von einem Leben, das nicht vom Thema Usher allein beherrscht wird, es gibt eben auch noch ein Leben ausserhalb der Rolle als Eltern eines Usher betroffenen Kindes mit der entsprechenden Verantwortung. Dieses Leben jenseits von Usher soll auch gelebt werden, nicht zuletzt um stark und belastbar zu bleiben, aber auch um unserer selbst Willen.

 

Sehr bereichernd ist dieser Tag, sind die Inhalte und Gespräche während des Workshops und in den Pausen. Stolz bin ich auf meine Tochter, die sich so selbstverständlich bereit erklärt hat, mitzukommen und offen (wenn auch in einem geschützten Bereich) über doch sehr sensible und intime Themen zu sprechen. Für sie bietet der Workshop die wunderbare Erfahrung, etwas weitergeben zu dürfen. Wir hatten beide das Ziel, etwas weiterzugeben, und wir bekommen beide sehr, sehr viel zurück. Auch freue ich mich sehr über das Angebot von Nadja und Timo, mich bei der stärkeren Vernetzung der österreichischen Usher Betroffenen untereinander und international zu unterstützen, hier gibt es schon konkrete Termine. Nebenbei höre ich zufällig mit, dass sich das Elternpaar im Verein LmU engagieren möchte, dass das Elternpaar mit dem erwachsenen Sohn mit Usher 2a wertvolle Anregungen mitnehmen kann, dass die junge Mutter den Austasuch als sehr berreichernd empfindet, und dass das Elternpaar mit den Zwillingen wichtige seelische Unterstützung und Anregungen für das weitere Vorgehen erhalten hat. Das sind wirklich sehr, sehr schöne Ergebnisse dieses ersten Elternworkshops!!

 

Von Dominique Sturz, September 2016



Wo gehöre ich dazu?

Anita Schachinger, geb. 3. 3. 1972, taubblind

 

Meine Mutter hatte während der Schwangerschaft Röteln, dadurch bin ich seh- und hörbehindert. Als Kind war ich schwerhörig. Mit 8 Jahren und mit 16 Jahren hatte ich einen Hörsturz, seitdem bin ich links taub und rechts resthörig. In den ersten Volksschuljahren besuchte ich eine normale Schule und kam dann in eine Hörbehindertenschule. Anschließend machte ich den Vorbereitungslehrgang für eine Handelsschule in Wien. Diese Schule mußte ich nach dem zweiten Hörsturz (mit 16 Jahren) aufgeben, weil ich fast nichts verstehen konnte. Ich kam dann für 3 Monate in das Rehabilitationszentrum. Dort lernte ich mit Bus, Straßenbahn und vor allem mit dem Blindenstock umzugehen. Seither kann ich auch alleine fortfahren. Dort habe ich auch das Lormen gelernt. Das ist ein Tastalphabet in der Handinnenfläche. Aber ich konnte es mit niemanden verwenden. Nach einer Berufsfindung für Blinde/Sehbehinderte absolvierte ich einen Kurs für Heilmasseur. Seither arbeitete ich in einem Kurzentrum als Heilmasseurin. Seit Juli 2000 arbeite ich als Betreuerin in der Lebenswelt Schenkenfelden, wo Taubblinde und Gehörlose mit Zusatzbehinderungen arbeiten und wohnen.

 

Ich habe mich schon vor vielen Jahren gefragt: „Wo gehöre ich dazu?“ Bei den Blinden fehlt mir das Hören und bei den Gehörlosen fehlt mir das Sehen. In der Hörbehindertenschule war ich im Unterricht meinen Mitschülern oft weit voraus, aber wenn es um die Kommunikation ging war es umgekehrt. Sie konnten Gebärdensprache und Lippenlesen verwenden, aber ich nicht. Mit den Schülern hatte ich dadurch kaum Kontakt. Inzwischen habe ich ein wenig Gebärdensprache gelernt, aber ich kann sie selbst fast nicht wahrnehmen.

 

Einige Monate versuchte ich am Jugendclub des Blindenverbandes teil zu nehmen. Auch da hatte ich wegen der Kommunikationsprobleme kaum Kontakt und war dadurch in dieser Gruppe sehr einsam. Bücher waren damals meine einzigen Freunde. 1994 lernte ich beim internationalen Taubblindentreffen und Förderkurs in der Schweiz zum erstenmal andere Taubblinde kennen. Nur bei diesen jährlichen Treffen kam ich in Kontakt mit Taubblinden, mit denen ich mich durch Lormen so unterhalten konnte, wie ich es mit Hörenden tue. Ich habe in Österreich noch keine Taubblinden getroffen, die in meinem Alter sind und mit denen ich mich über das Lormen unterhalten kann. Ich habe oft das Gefühl, daß mir durch diese Isolation ungefähr 10 Jahre meiner Kindheit fehlen. Normalerweise habe ich nur mit Kindern oder Erwachsenen, die meine Eltern sein könnten, Kontakt. Mit Gleichaltrigen gelingt dies seit meiner Schulzeit kaum. Wenn ich mit Hörenden zusammen bin, wird mir normalerweise nur das Notwendigste gesagt. Zuhause wird nur gesprochen und manchmal geschrieben. Meine Mutter kann als einzige ein bißchen lormen. Die meisten Menschen verstehen nicht, daß ich zwar gut sprechen, aber nicht gut hören kann. Diesem Problem begegne ich sehr oft. In Österreich habe ich nur in der Gehörlosenambulanz kaum Probleme mit der Kommunikation. Viele der Mitarbeiter können schon lormen oder lernen es gerade.

 

Seit März 1997 habe ich ein Cochlear Implantat. Die Kommunikation hat sich dadurch sehr verbessert. Im April 2002 bekam ich auch am rechten Ohr ein CI. Das Lormen brauche ich auch jetzt noch, denn nicht jeden und nicht überall kann ich gut verstehen.

 

Im Sommer 1996 begann ich Englisch zu lernen. Leider ist der Unterricht nur selten möglich, weil ich nur im Einzelunterricht lernen kann. Da ich im Herbst 1996 die Österreichvertretung der Taubblinden im Europäischen Taubblindennetzwerk (EDbN) übernommen habe, wird mir das noch sehr nützen. Ich möchte mehr Kontakt zu anderen, damit wir in Österreich etwas verändern können. Soviel ich weiß, gibt es bei uns keine Frühförderung für taubblinde Kinder, keine Taubblindenlehrer und Kommunikationshelfer. Das Problem mit dem Kommunikationshelfer kenne ich sehr gut. Ich würde gerne Kurse oder Vorträge besuchen, aber ich kann niemanden zum Lormen bekommen und für das Mitschreiben am Computer auch nur schwer. Für den Taubblindenkongreß 1996 in Finnland habe ich in Österreich niemanden gefunden, der für mich gelormt hätte. Bei der Freizeitgestaltung sieht es auch nicht besser aus.

 

Ich glaube, daß auch Öffentlichkeitsarbeit dringend notwendig ist. Ich habe bei meiner Arbeit noch niemanden getroffen, der wußte, daß es taubblinde Menschen gibt. Andere Länder sind uns da schon weit voraus. Ich glaube, daß wir nur durch gute Zusammenarbeit die anderen Länder einholen und für die Taubblinden in Österreich sinnvolle Veränderungen erreichen können.

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